Interview Margot Schneider-Söllner, Listenplatz 9

Du bist ja ein Diplom-Ingenieur, Margot. Gibt es davon auch eine weibliche Form?

Ja, da gibt es auch eine weibliche Form. Aber ich lege da keinen großen Wert drauf. Und deswegen bezeichne ich mich nach wie vor als Diplom-Ingenieur, das habe ich damals studiert, so steht es auf meiner Diplom-Urkunde, damals hat man das nicht gemacht. Ich lege deswegen keinen großen Wert drauf, weil ich mein ganzes Ausbildungs- und Berufsleben in einer sehr männerdominierten Welt zugebracht habe und hab das nicht als hilfreich oder notwendig erachtet.Nnicht, weil es ein Statement sein soll, sondern weil es für mich keine Bedeutung hat.

Aber bei der Stadträtin, da ist das schon irgendwie wichtig?

Also ich bemüh mich ja schon. Ich bemüh mich um gendergerechte Sprache, benutze gewisse Ausdrücke. Hab mich lang ein bisschen dagegen gewehrt, jetzt üb ich’s ein bisschen. Es ist mir nicht in die Wiege gelegt, aber ich mach’s – und es ist auch ok. Ich seh das alles überhaupt nicht dogmatisch, weder in die eine noch in die andere Richtung.

Und es ist ja auch kein Verbrechen, wenn man sich mal vertut… Wie lange bist du schon im Gemeinderat?

Ich war jetzt diese Legislaturperiode drin, also jetzt sind’s knapp fünf Jahre. Ich hab damals auf der Grünen-Liste kandidiert und bin allerdings über ein Überhangmandat reingekommen.

Durch die unechte Teilortswahl.

Ja, ganz genau. Und ich wusste auch nicht wie mir geschieht, denn ich dachte einfach nur, ich helfe den Grünen ein paar Stimmen mehr zu kriegen. Und schwuppdiwupp war’s dann passiert… Bin seitdem im Gemeinderat, eben in der Fraktion der Grünen. Es gibt natürlich Themen, die im Gemeinderat nicht besonders grün sind. Wir waren auch immer so ein bisschen Außenseiter bei vielen Themen, wobei ich jetzt der Meinung bin, es hat sich da was zurecht gerüttelt in den letzten zwei Jahren. Immer wieder mal [werden] Themen [aufgeworfen], die ich jetzt erst mal so aus der grünen Ecke vertreten sehen würde.  Und die kommen dann von den anderen Fraktionen. Ob es  nachhaltige Waldwirtschaft ist oder Bodenversiegelung oder Blühstreifen – dann kommt das aus den anderen Fraktionen und dann denk ich, na guck an, da tut sich ja was! Das hat mich dann immer sehr gefreut.

Steter Tropfen höhlt den Stein… Ihr tagt einmal monatlich?

So etwa.

Und wie geht’s da so zu? Geht ihr sorgsam miteinander um?

Ich würde sagen, überwiegend respektvoll. Nicht immer ist es ganz respektvoll gegenüber der Stadt und der Verwaltung, ich hab manchmal das Gefühl, da sind größere Friktionen. Es ist halt auch eine Sache der Themen, die bearbeitet werden im Gemeinderat. Vieles ist im Prinzip getrieben durch Themen, die die Verwaltung der Stadt bearbeiten muss. Dann beschäftigt man sich mit den Sachen, die einem halt vorgelegt werden. Für mich war es ein bisschen ernüchternd, dass man gar nicht so viel Gestaltungsmöglichkeit hat wie ich eigentlich mal gedacht habe. Viel ist schon vorgegeben, ausgeplant vorgelegt  – und es gibt dann nur noch die Entscheidung Ja-Nein/Dafür-nicht dafür. Der Gestaltungsrahmen ist kleiner als ich’s gedacht hab.

Und von wem kommen dann die Vorgaben?

Oftmals von Gesetzgebungen, Beispiel ‚Es sind so und so viele Geflüchtete aufzunehmen, wie verteilen wir die‘. D.h. da muss man sich einfach drum kümmern, da gibt’s keine andere Option. Oder es muss eine Fischtreppe gebaut werden, damit die Acher durchgängig wird. Da muss ein Angebot gemacht werden, es muss ein Ingenieursbüro beauftragt werden. Oder die Feuerwehr braucht ein neues Rettungsboot… Das sind so die Themen, die werden so vorgegeben. Man hätte vielleicht schon die Möglichkeit, selber noch mehr reinzubringen durch Anträge, die Verwaltung damit zu beauftragen. Haben wir aber, aus welchen Gründen auch immer, nicht sehr viel gemacht. Also weder wir noch die anderen Stadträte. Alles wird wirklich sehr viel von den Themen getrieben, die von der Gesetzgebung, den Behörden heruntergekommen sind… So ist das.

Das klingt tatsächlich ernüchtert.…

Das ist ernüchternd. Wir haben einen Antrag eingereicht, da ging’s damals um das Ausrufen des Klimanotstands als Stadt Lichtenau. Da ist man so gegen die Wände gelaufen, das wurde aus dem Gemeinderat sowas von abgebügelt, die hatten gar kein Verständnis dafür. Wenn man‘s heute machen würde, wär’s vielleicht anders.

 

Also – ich hab ja gehört, dass der Herr Greilach gesagt hat: Lichtenau, die Solarhochburg – oder so.

 

Wir heißen ja Solarkommune! Aber da geht schon lange nicht mehr viel vorwärts, seit damals eine der ersten Solaranlagen auf das Schuldach gebaut worden ist. Also wenn man sich die Turnhalle anschaut… Aber man denkt ja jetzt über Photovoltaik auf dem Ulmer Baggersee nach. Da laufen Überlegungen, aber man muss noch warten, bis die Gesetzeslage so ist, dass man es gut als Projekt durchführen kann.

 

Was mich wundert: ich wohne in der Waldstraße [in Scherzheim]. Und wir haben da ja diese Riesenbaustelle, jetzt seit Monaten schon. Und ich frage mich, wie sowas zustande kommt. Da fahren ein paar Autos – und ein paar Fahrradfahrer. Und natürlich Herrn Kientzens Maislaster! Warum muss man da so ein Riesenprojekt machen?

 

Ja, da habe ich mich auch erkundigt. Also ein paar Leitungen in dieser Straße müssen erneuert werden. Jetzt gibt es wiederum eine Gesetzgebung, die besagt: wenn man schon irgendwo aufreißt, dann müssen auch noch Leitungen für zukünftige neue Energieversorgung, dann muss alles mitgemacht werden – und durch solche Zusatzanforderungen wird das dann auf einmal ein Riesending! Und jetzt, so sagte man, ist dieser ganze Aushub von Teer teilweise kontaminiert. Also kleine Einschlüsse. Jetzt müssen sie in verschiedenen Containern lagern, jetzt müssen die getrennt voneinander beprobt werden, um die Entsorgung zu [regeln]. Man darf das nicht einfach klein schreddern und irgendwo verfüllen. Und so weiter und so fort… Da kommen durch ganz viele Regularien Sachen rein, gegen die kann man sich gar nicht verwehren. Abfallgesetz, Energieversorgungsgesetz – es kommt alles zusammen. Und auf einmal wird das ein Monster.

 

Stichwort ‚Bürgerbeteiligung‘: ist das auch dein Thema?

 

Bürgerbeteiligung, doch – und zwar insofern, dass mich das immer ein bisschen stört, dass die Dinge oftmals schon vorbereitet sind. Da auch ein kleines Beispiel: die Raiffeisengenossenschaft, jetzt hat man das Ding gekauft. Dass da irgendwas passieren muss, ist jedem klar. Aber dann wurde jetzt einfach schon mal ein Konzept erstellt von einem Ingenieursbüro –und das wurde dem Gemeinderat vorgestellt. Und ich finde das verfrüht, da kann man erst mal eine Bürgerbeteiligung machen und fragen: ‚Was wollt ihr eigentlich? Habt ihr Ideen? In welche Richtung soll es denn gehen?‘. Soll es jetzt ein Spielplatz werden oder soll das Gebäude erhalten bleiben und wir machen ein Vereinsheim draus. Oder soll das Ganze renaturiert werden. Überhaupt erst mal gucken, was wollen denn die Leute. Leider wird solchen Dingen immer vorgegriffen durch vorgeeilte Planungen. Die kosten ja auch Geld –und wenn es dann nicht ist, was man will, dann zahlt man’s zweimal oder womöglich dreimal. Und mir fehlt tatsächlich das Abklopfen der Interessen der Bevölkerung. Entweder über den Gemeinderat oder die Bevölkerung direkt. Bevor man Planungen angeht. Das ist jetzt das, was ich so mitgenommen hab aus dieser Zeit [im Gemeinderat], aber hab ich auch eine Weile gebraucht, bis ich das kapiert hab! Jetzt sehe ich immer mehr: ist schon alles durchgeplant, Scherzheim durchgeplant, Bushaltestellen, alles fix und fertig – aber vorher vielleicht mal geschaut mit Radfahrverkehr und so weiter? Hat man nicht. Das ist das, was ich persönlich mit in die nächste Runde nehmen würde: ich würde sehr viel mehr auf frühe Bürgerbeteiligung pochen.

 

Das wäre ein guter Schritt! Du wünschst dir für Lichtenau ein attraktives und einladendes Ortsbild. Wo würdest du denn da ansetzen? Oder bist du mit dem Ist-Zustand zufrieden?

 

Na ja – es ist keine ganz große Katastrophe, aber es gibt wirklich viel Luft nach oben. Man tut sich immer schwer, irgendwie Einkaufsmöglichkeiten zu halten in solchen Städtchen. Das ist sehr, sehr schwer mittlerweile. Aber es gibt ein paar spezifische Dinge, die ich in Lichtenau vermisse. Das Erste ist: wir haben hier Bäche und Brücken, und ich finde das ist ein wirklich hohes Gut in einem Dorf (ich find nach wie vor, dass wir ein Dorf sind, auch wenn wir Stadt heißen Lichtenau)…

 

Venedig an der Acher J …

 

Ja J… Das ist ein wirklich hohes Gut, wenn man eine Wasserstraße im Ort hat. Da kann man so viele tolle Sachen machen. Man kann die attraktiv gestalten, man kann sie zugänglich machen, man kann sie ins Ortsbild einfügen. Das ist leider nie so im Fokus gewesen. Es gibt wenig Spazierwege entlang der Bäche, sie [die Acher] wird einbetoniert an vielen Stellen. Man macht jetzt die Fischtreppe – das ist eine richtig teure Geschichte, kostet richtig viel Geld – und es gibt noch kein Konzept, wie man das zugänglich machen kann. Zur Bildung, zum Naturschutz, zur Beobachtung. Wir machen da zu wenig!

Das Zweite ist: wir haben ein unglaublich aktives Vereinsleben in Lichtenau, und trotzdem  – für junge Menschen, die nicht in Vereinen sind, keine Möglichkeit. Und wir haben zu wenig Möglichkeit, jung und alt zusammenzubringen. Das vermisse ich ein bisschen. Der Kindergarten ist hier, das Altersheim dort. Auseinander. Meine Vision wäre immer, das zusammenzubringen. Als man dieses Wohngebiet da hinten gemacht hat, hätte ich gesagt: da eine Wohnmöglichkeit für alte Leute plus einen Kindergarten direkt nebendran. So eine Integration mit Begegnungsflächen, Begegnungsmöglichkeiten würde ich mir wünschen – da haben wir noch wirklich viel Luft nach oben.

 

Unsere Unterhaltung über dieses letzte Thema, über Baugebiete, über den Sinn und Zweck von Warentauschtagen und Flohmärkten (am 1.Juni gibt es einen von der Liste MiTEiNANDER – das Wetter sei gnädig!) und das, was für die kommende Legislaturperiode für Magot besonders wichtig wäre durchzusetzen, könnt ihr hier im Original hören – Prädikat: erfrischend!